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Von Rio nach Schladming

1884 baute Prinz Ludwig August von Sachsen-Coburg und Gotha ein Jagdschloss in Schladming. Seit 1940 beherbergt das Backsteingebäude das Rathaus der Stadt.

Schwiegersohn des Kaisers von Brasilien

Prinz Ludwig August von Sachsen-Coburg und Gotha (1845-1907) entstammt dem im Wiener Palais Coburg ansässigen Koháry-Zweig des Hauses Sachsen-Coburg. Sein Vater war Herzog August von Sachsen-Coburg, Erbe des gewaltigen Vermögens des ungarischen Adelsgeschlechts der Koháry, das durch Heirat an die Coburger gelangte. Seine Mutter war Prinzessin Clémentine de Orléans, Tochter des französischen Königs Louis Philippe. Sie war eine geschickte Familienpolitikerin und arrangierte die Heirat ihres Sohnes Ludwig August mit Prinzessin Leopoldina, einer Tochter von Dom Pedro II., dem Kaiser von Brasilien. Prinzessin Leopoldina starb schon 1871 mit nur 23 Jahren an Typhus. Der trauernde Witwer Ludwig August reiste danach zwischen Brasilien und Europa hin und her, ließ sich einige Zeit in Paris nieder. Dort lernte er Gustav de Vernouillet (1819-1901) kennen, der Besitzungen in Schladming hatte und den Prinzen zur Jagd einlud. Begeistert von der Schönheit der Landschaft beschloss Prinz Ludwig August sich hier nieder zu lassen. 1884 konnte er sein neues Jagdschloss beziehen.

Cousin Europas

Architekt des Schlosses war Hans Rothbarth, Hofbaumeister des regierenden Herzogs von Sachsen-Coburg. Das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha war einer der vielen deutschen Kleinstaaten, doch der Herzogsfamilie gelang im 19. Jahrhundert durch geschickte Heiratspolitik ein kometenhafter Aufstieg. In nur zwei Generationen wurde aus den Coburgern eine Dynastie auf den Thronen Großbritanniens, Belgiens, Portugals und Bulgarien. Ludwig August sollte durch seine Heirat auch die Krone Brasiliens sichern, doch 1889 endete die brasilianische Monarchie durch einen Militärputsch.

Der Baustil des Schlosses orientiert sich an der englischen Gotik und verweist so auf den mächtigsten Familienzweig, das englische Königshaus. Dieses legte im Ersten Weltkrieg aus politischen Gründen den Namen Sachsen-Coburg ab und nannte sich ab 1917 „House of Windsor“.

Das brasilianische Prinzenschloss am Fuße des Dachsteins

Prinz August Leopold (1867-1922) wurde im Kaiserpalast von Petrópolis, 60 Kilometer nördlich von Rio de Janiero als Sohn von Prinz Ludwig August und der Prinzessin Leopoldina von Brasilien geboren. Er wuchs bei seinem Großvater Kaiser Pedro II. auf und trat in die brasilianische Marineakademie ein. August Leopold befand sich auf einer Weltumseglung, als das Kaiserreich gestürzt wurde und hatte mit nur 22 seine Heimat verloren. Seine Großmutter Clémentine de Orléans vermittelte seinen Eintritt in die österreichische Marine und auch eine Ehefrau, die Habsburgerin Karoline von Österreich-Toskana. Ihre Hochzeitsreise führte das junge Paar nach Schladming, das Brautkleid von Karoline schmückt heute eine Madonnenfigur in der katholischen Kirche der Stadt. Anfangs war Schloss Schladming Sommeraufenthalt der rasch wachsenden Familie, nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde es zum Hauptwohnsitz. 1922 starb August Leopold im Schloss und wurde in der Annakapelle von Schladming beigesetzt, erst 1933 wurde sein Sarg in die Kohary-Gruft nach Coburg gebracht.

Seine Familie blieb bis 1940 auf Schloss Schladming, dann wurde dieses an die Stadt verkauft. Prinzessin Marie, zweitälteste Tochter von August Leopold, war körperlich und mental beeinträchtig und wurde 1941 im Rahmen des Euthanasieprogramms der Nationalsozialisten auf Schloss Hartheim bei Linz vergast. An sie erinnert ein „Stolperstein“ aus Bronze vor dem Haupteingang.

  • Im Treppenhaus brasilianischen Kaiserkrone mit Initialen.

    Im Treppenhaus brasilianischen Kaiserkrone mit Initialen.

  • Prinz August Leopold mit Familie, 1917 in Schladming.

    Prinz August Leopold mit Familie, 1917 in Schladming.

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